Wie alles begann

Im Schatten des "Hotel Möller" liegt das Fachwerk 1775

Es ist das älteste Haus im Dorf und war lange vom Verfall und vom Vergessen bedroht. Als „Fachwerk 1775“ (gesprochen: „Siebzehn-Fünfund-siebzig“) rückt das alte Denkmal jetzt im neuen Glanz wieder verstärkt ins öffentliche Interesse.

Zugegeben: Das alte Fachwerkgemäuer ist auf den ersten Blick nicht Ortsbild prägend. Dazu steht es – wenn auch an zentraler Stelle “Am Ring” hinter der Kirche – etwas zu abseits der Straße. Sein Schicksal war es während der vergangenen rund 150 Jahre, räumlich wie sprichwörtlich im Schatten des imposanten ehemaligen “Hotel Möller” zu stehen, um das sich in der Dorfhistorie manch illustre Geschichte rankt.

Doch in den Eichenbalken des Denkmals sitzen bis heute die (längst rostigen) Eisenringe, an denen einst König Georg V. von Hannover oder der spätere Generalfeld-marschall und Reichspräsident Paul von Hindenburg ihre Pferde anbinden ließen. Und in den maroden Ställen grunzten die Schweine, deren Schinken einmal verwöhnten Gaumen vorgesetzt werden sollten. Das üppige Leben in der prächtigen Parkvilla war nicht denkbar ohne das direkt angrenzende Wirtschaftsgebäude.

Während das alte “Hotel Möller” heute von der Eigentümerfamilie Kalberg und ihren Mietern als privates Wohnhaus genutzt wird, stand das ehemalige Bauernhaus zuletzt viele Jahren leer. Der Zahn der Zeit hatte ihm heftig zugesetzt. Im Sommer 2007 stürzte gar ein Teil des Südgiebels ein. Der Heimatverein Wellingholzhausen beschloss daraufhin, sich des historisch denkwürdigen Hauses anzunehmen.

Er hat das Vier-Ständer-Gebäude – eines der wenigen, die im Grönegau überhaupt noch anzutreffen sind -angepachtet. Seit dem Frühjahr 2008 wird das Denkmal grundlegend saniert. Zunächst ging es darum, das Dach zu erneuern, den eingestürzten Südgiebel neu zu errichten und das marode Ständerwerk zu restaurieren. Danach wurden die Gefache mit Lehmziegeln ausgemauert und der Innenausbau in Angriff genommen.

Neben dem Einsatz zahlreicher Fachfirmen aus der Umgebung haben Mitglieder des Heimatvereins die Ärmel aufgekrempelt und tatkräftig bei der Instandsetzung geholfen. Ebenso unermüdlich wurde an der Finanzierung „gezimmert“. Zahlreiche Behörden, Institutionen und Firmen öffneten Fördertöpfe und Spendenportemonnaies, um das große Vorhaben bezahlen zu können. So beteiligen sich unter anderem die Denkmalbehörde, das Amt für Landentwicklung, die Sparkassen-Stiftung, die Niedersächsische Lotto-Stiftung sowie der Ortsrat an den Baukosten.

“Der reiche Schröder” ging sein kostspieliges Vorhaben vor 150 Jahren gänzlich unbeschwert und ungehemmt an. Denn dem Erbauer des “Hotels Möller”, als Kaufmanns-sohn in  Wellingholzhausen geboren, kam es auf hundert Taler mehr oder weniger nicht an. Georg Anton Schröder hatte, so berichten alte Unterlagen, während seiner Lehrjahre in Hamburg im wahrsten Sinne des Wortes das große Los gezogen: Die Lotterie bescherte ihm ein riesiges Vermögen. Als gemachter Mann kehrte er Mitte des 19. Jahrhunderts in sein  Heimatdorf zurück.

Den Architekten, der nebenan gerade die neue Kirche errichtete, verpflichtete er alsbald, ihm seine Traumvilla zu bauen. Der Kotten, in dem Schröder geboren war, musste weichen für ein Gebäude, das alle damaligen dörflichen Vorstellungen sprengte: hohe Zimmerfluchten, Seidentapeten und Vertäfelungen, riesige Fenster mit Rundbögen – in Welling sprach man nur von Schröders “Schloss”. “Ich werde ein Haus bauen, das Königen und Fürsten würdig ist”, soll er einmal in weinseliger Runde angekündigt haben. Tatsächlich machte der blinde Welfenkönig Georg V. 1863 hier Rast. Doch das blieb zu Schröders Zeiten einer der wenigen erhofften Glanzpunkte.

Denn der reiche, aber einsame Schröder hatte sein Vermögen längst verprasst, war krank und hoffnungslos bankrott, als die neuen Eigentümer Petermöller, genannt Möller, hier 1884 ein Hotel eröffneten, dem man heute wohl fünf Sterne verliehen hätte. Oberst von Hindenburg und sein Stab, die sich hier 1894 während der “großen Manövertage” als prominente Gäste einquartiert hatten, dachten allzu gern an ihren Aufenthalt zurück. Als das Regiment im Jahr darauf in Iburg logierte, flatterten launige Zeilen ins Haus: Die hohen Herren hatten gedichtet, und aus jeder Zeile, die in der Heimatchronik abgedruckt ist, kann man herauslesen, dass sie viel lieber in Welling abgestiegen wären…

Noch bis Ende des ersten Weltkriegs blieb das Anwesen Hotel. Nach dem zweiten Weltkrieg verblasste der Glanz. Erst musste es als Quartier für die englische Besatzung herhalten, später als Erholungsheim für Berliner Kinder und als Flüchtlingsunterkunft. Auch als Altenheim wurde es vorübergehend genutzt. Wenn Wände erzählen könnten, dann wüssten die Villa und das denkmal-geschützte Fachwerk nebenan viel Interessantes zu berichten.