Käfersauna

Viel heiße Luft - Käfersauna hinter silberner Folie

Das Fachwerk 1775 in silber-weißer Folie verhüllt – Christo in Wellingholzhausen?! Das alte Denkmal am ehemaligen Hotel Möller ist zwar für Kultur aller Art offen, doch Verpackungskünstler waren hier im März 2010 dann doch nicht am Werk. Vielmehr verwandelte sich das Fachwerkhaus im Zuge der Restaurierung in eine „Käfer-Sauna“. Dem gescheckten Nagekäfer, der sich als unerwünschter Untermieter im uralten Gebälk eingenistet hatte, wurde ordentlich eingeheizt.

Mit viel heißer Luft wurde dem gefräßigen Schädling der Garaus gemacht. Aus einer einfachen Idee machte die Firma IRT aus Lippstadt eine innovative Restaurier-ungstechnik: Das Gebäude wurde so stark aufgeheizt, dass dem Käfer – und nebenbei auch den Pilzsporen des Hausschwamms – die Puste ausging. „Sämtliche Eiweiße werden denaturiert“, nennt das der Fachmann, der mit einem Kammerjäger nichts zu tun hat. Hier wurde ganz ohne Chemie gearbeitet.

Großer Aufwand für einen kleinen Käfer: Das ganze Gebäude, das immerhin eine stolze Grundfläche von 13 mal 21 Metern vorweisen kann, war mit einer dreilagigen Spezialfolie zugehängt. Die Bahnen waren verschweißt, so dass wirklich jede Ritze dicht war und keine aufgeheizte Luft entweichen konnte. Denn Ziel war es, den Innenraum so stark zu erwärmen, dass im Kern der alten Balken eine Temperatur von 55 Grad Celsius erreicht wurde. „Mindestens eine Stunde lang muss diese Temperatur dort gehalten werden, dann sind alle Schädlinge beseitigt“, erläutert Firmeninhaber Christoph Diers.

Trotzdem kalkulierte er für die gesamte Maßnahme acht Tage. Denn entscheidend ist es, dass das Gebäude ganz langsam aufgeheizt wurde. Bei einem abrupten Tempera-turanstieg wäre die Gefahr zu groß gewesen, dass das Holz reißt. „Diese kontrollierte Heißluftbehandlung ist schonend für das Objekt. Nur nicht für den Käfer“, sagt Christoph Diers, der mit seiner Firma bundesweit auch schon wertvolle historische Akten trocken gelegt oder alte Altäre vor dem Verfall bewahrt hat.

Schweißtreibend war die Arbeit in Wellingholzhausen in jedem Fall. Denn damit die Balken auf  55 Grad Celsius Temperatur kommen, kletterte das Thermometer im Innern des Gebäudes auf mehr 70 Grad Celsius. Und die IRT-Mitarbeiter mussten zwischendurch hinein, um die Sensoren zu überprüfen, die wie Bratenthermometer überall zur Kontrolle ins Holz gebohrt waren. Erst als ein hinzu gezogener Sachverständiger grünes Licht gab, konnte die Spezialheizung abgestellt werden.

Gescheckte Nagekäfer trifft man jetzt höchstens noch da an, wo sie eigentlich hingehören – in trockenem Holz im Beutling zum Beispiel. Als Treffpunkt dient das „Fachwerk 1775“ seitdem anderen.